Potenziale des Erfolgsmodells „Einzelmeldung“

Die Verfechter der §52a-Einzelmeldung führen die Gerechtigkeit ins Feld: Nur dann, wenn für jeden an deutschen Hochschulen verbreiteten Text bekannt ist, wer ihn urgehoben hat und wie viele wissbegierige Studierende ihn hätten lesen können, können die darbenden Rechteinhaber angemessen – und gerecht! – entlohnt werden. Also lautet der Vorschlag, jeden Buchausschnitt, jeden Journal-Artikel mit einer kleinen, feinen Meldemaske der gesetzlich zuständigen Verwertungsgesellschaft anzuzeigen. Und wisst ihr was? Das geht! Digitale Technik kann das möglich machen. Was was gerecht ist und geht, das sollte man doch auch machen, oder?

Ich finde diesen Gedanken aber noch nicht zu Ende gedacht. Das Streben nach Gerechtigkeit ist ein so hohes Gut, ein so hehres Ziel, eine so edle Tugend, dass ihr (der Gerechtigkeit) überall zum Sieg verholfen werden sollte.

Beginnen wir also an Deutschlands Photokopierern. Dort gähnen gräßliche Gerechtigkeitsabgründe! Die Kopiererbesitzer zahlen einfach pauschal und jährlich einen lumpigen Betrag. (Schon gewusst? Dieser Betrag berechnet sich nach der Entfernung des Kopierers zur nächsten Hochschule (s. §3)) Dieser Betrag wird dann einfach pauschal auf alle möglichen Urheber verteilt. Diejenigen, deren Texte tatsächlich viel kopiert werden, kommen dabei zu kurz. Rettung naht! Moderne Kopierer haben doch einen Netzanschluss, damit man sich Eingescanntes z.B. gleich nach Hause mailen lassen kann. Was liegt da also näher, als bei jedem Kopiervorgang zu fordern, die ISBN des kopierten Werkes in den Kopiererziffernblock einzutippern! Seitenzahl und Melder-ID (bei Verwendung von Kopierkarten) können bequem automatisch mitübermittelt werden. Altkopierer bekommen einen Einwurfschlitz für praktische kleine Papierformulare und die geringe Gerechtigkeitsgebühr wird auf den Kopierpreis aufgeschlagen. (Die Kopien werden aber ja auch billiger, weil der Kopiererbesitzer nicht mehr pauschalabgeben muss.) Ein Gewinn für alle!

Aber warum beim Photokopierer halt machen? Gerüchten zufolge wird bereits mit den Betriebssystemherstellern verhandelt: Immer wenn Sie demnächst eine Datei kopieren, ploppt bald ein freundlich gestaltetes bequemes Fensterchen auf, dass Sie um Spezifikation der Rechtsgrundlage für den Kopiervorgang bittet. Manche Kopien sind ja sogar kostenfrei erlaubt und dieses Recht will Ihnen niemand nehmen. Sie müssten nur – um der Gerechtigkeit Willen! – für jede Datei ganz kurz Auskunft geben. (Und wenn Sie dann, hihi, mal auf eine größere Festplatte umsteigen wollen, ist das eine gute Gelegenheit, Ihre 150.000 Dateien vorher aufzuräumen. Loslassen erhöht die Lebensqualität.)

Genauso ungerecht: Der Rundfunkbeitrag. Einmal zahlen, endlos glotzen, wie bequem und ungerecht! Die netten kleinen Geräte der GfK zur Einschaltquotenmessung zeigen ja schon, dass es technisch geht. (Sie wissen schon: Gerecht und technisch machbar = drigend geboten!) Einfach pro Rundfunkgerät einmalig alle Personen registrieren, die ab und zu in die Röhre schauen und dann per Tastendruck mitteilen, wer von denen gerade da ist. Sie müssen nicht einmal einzelmelden, welche Sendung geschaut wird, das Gerät lauscht einfach in ihr Wohnzimmer und erkennt, was da so läuft. Ein kleiner Münzeinwurfschlitz am Fernseher (0,8ct pro Minute pro Zuschauer, wird bei Werbekonsum erstattet) ersetzt den Rundfunkbeitrag und die Welt wird ein Stück gerechter.

Und die KFZ-Steuer! Einmal blechen, endlos brettern. Und niemand entschädigt die Anwohner lärmgerecht, repariert Straßen nutzungsgerecht. Dafür braucht es den flexiblen KFZ-Steuertarif. Denken Sie an das gigantische Potenzial: Wenn Fahrten zu verkehrsstarken Zeiten teurer werden, Fahrten mit mehreren Personen günstiger, die Nutzung maroder Straßen besonders teuer ist und frisch gewaschene Autos (geringere ästethische Belastung der Bevölkerung!) einen Bonus erhalten. Alles einfach und problemlos und technisch machbar mit der Einzelfahrtenmeldung. Einfach vor der Fahrt alles eintippen und vieles kann Ihr Auto auch ohne Sie feststellen und melden. Wieder ein Gewinn für alle!

Letzter Punkt: Strom. Ist es gerecht, dass ein armes Mütterlein für die Zubereitung eines kargen, so gerade lebenserhaltenden Mahls den gleichen Tarif zahlt wie ein feister Emporkömmling für die Beleuchtung seines Drittpools? Wohl kaum. Die Stromverbrauchseinzelmeldung macht damit Schluss. Sie müssen bei der Vorabmeldung Ihres geplanten Stromverbrauchs nur im VVV (Verzeichnis verbreiteter Verbraucher) nachschlagen und dann z.B. einfach 5598.56/773.2 für die Drittpool-Beleuchtung eingeben. Die Grundmahlzeit ist bis 404 kcal sogar meldefrei, Sie müssen lediglich durch Fingerabdruckscan versichern, dass Sie die Mahlzeit tatsächlich allein genießen. Missbräuchliche Mehrfachnutzungen dieser besonderen Erlaubnis werden durch zentralen Verzehrdatenabgleich verhindert.

Sie sehen also: Schon mit wenig Gehirnschmalz fallen einem viele Möglichkeiten ein, mit dem Prinzip Einzelmeldung die Welt deutlich gerechter zu machen. „Melden macht frei“ hieß es bei mir schon bei der Bundeswehr und ein außerordentlich erfolgreiches Einzelmeldemodell möchte ich nicht unerwähnt lassen: Die katholische Beichte. Wenn es um Sünden geht, gibt es nichts gerechteres.

 

Eine Antwort auf „Potenziale des Erfolgsmodells „Einzelmeldung““

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.