Bildungsrepublik Deutschland: Nur mit 15fachem Durchschlag

Überall, wo sich in Deutschland Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Fragen der Sprachförderung und Sprachdiagnostik beschäftigen, herrschte letzte Woche Hochbetrieb. Morgen endet nämlich die Einreichungsfrist für Anträge auf Forschungsförderung in der äußerst lobenswerten Förderinitiative Sprachdiagnostik / Sprachförderung im Kontext des Rahmenprogramms zur Förderung der Empirischen Bildungsforschung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. (Ein ordentlicher Name muss schon sein..)

Zweifel an der Zukunftsorientierung der Bildungsförderungs-Bürokratie lässt dann nur folgender Absatz aufkommen:

Die Vorhabenbeschreibungen sind in 15 Exemplaren (DIN A4, doppelseitig, und 1 Exemplar einseitig und ungebunden als Kopiervorlage) und als pdf-Dokument auf CD-ROM vorzulegen.

Nicht, dass da einfach so jemand ein PDF per E-Mail schickt! Das wäre der sonst übliche Weg für derartige Ausschreibungen, meist wird zusätzlich noch ein ausgedrucktes und offiziell unterschriebenes Exemplar verlangt.

Aber irgendwie ist Bildung ja ein besonderes Gut.

Wozu gibt es eigentlich Freilandeier?

Mit meinem neuartigen Rundfunkgerät kann ich mittlerweile bei immer mehr Fernsehsendern Videoinhalte online abrufen. Inzwischen auch beim selbsternannten Kochsender VOX. Neugierig, wie gut das alles klappt, habe ich eine Folge des berüchtigten und immerhin einigermaßen unterhaltsamen Perfekten Dinners nebenher laufen lassen.

Aufhorchenswert dann folgender lustiger Dialog zum Thema »Augen auf beim Eierkauf« beim Lebensmittelhändler (Folge vom 27.8.2008):

Perfekte Dinnerin: »Ich bräuchte dann noch Eier.«

Lebensmittelhänderlin: »Was möchten Sie denn? Freiland- oder Bodenhaltung?«

Perfekte Dinnerin: »Was ist denn besser?«

Lebensmittelhänderlin: »Die sind beide gut. Was wollen Sie denn damit machen?«

Perfekte Dinnerin: »Ich möchte Nudeln machen.«

Lebensmittelhänderlin: »Dann reicht Bodenhaltung!«

Sieh mal an: Das bodengehaltene Huhn leidet nur, wenn man die Eier irgendwie anders zubereiten will. Aber woher weiß es das?

GMX-Mail kündigen oder lieber ein Herrenmagazin?

Meinen kostenpflichtigen GMX-ProMail-Account habe ich damals nur deshalb eingerichtet, weil im Monatspreis von 2,95€ gleich 50 SMS mit drin sind. Ganz ohne Handy, einfach eintippen und losschicken. Macht knapp 6ct pro SMS bzw. 7,375ct pro SMS, wenn man die 10 kostenlosen SMS im FreeMail-Tarif abzieht. Eine ganze Weile hat sich das prima gerechnet und passte gut zu meinen Anforderungen, aber jetzt habe ich festgestellt: Meine SMS-Nutzung hat sich verändert, andere Alternativen sind günstiger. Ein klarer Fall für die beliebte Kategorie „umsteigen – aussteigen – abschalten – kündigen„.

Also, einfach mal einloggen und gucken. Ah, da: „Mein Account“, direkt auf der Seite nach dem Login. Sieht doch gut aus. Was dann folgt, verschlägt mir fast den Atem:

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Sensationell! Keine ewige Suche, kein Anruf bei dubiosen Hotlines. Die Vertragslaufzeit steht einfach so da, und das auf der ansonsten hoffnungslos überfrachteten GMX-Webseite. Sowas sollte Vorschrift werden! Der Link „Tarif wechseln“ sieht ebenfalls vielversprechend aus, aber ich bin erstmal skeptisch. Üblicherweise sind Tarifupgrades problemlos online möglich, Downgrades aber nicht.

Doch ich werde schon wieder überrascht. Unter den auswählbaren Tarifen ist auch der zurückgewünschte kostenlose „FreeMail Plus“-Account.  Unfassbar. Einfach mal draufklicken… Festhalten! Es erscheint:

Ein Angebot, dass Mann nicht ablehnen kann…

Heya Safari! Ein Angebot, das Mann nicht ablehnen kann. Bei GMX bleiben und den Playboy abstauben. Wow.  Wie zum Geier kommen die denn darauf?? Lässt das Rückschlüsse auf die Zielgruppe zu? Oder ist das gar ein personalisiertes Angebot und die haben meine SMSen inhaltsanalysiert? Datenschutzbeauftragter! Hubschraubereinsatz! Aber wie kommt dann „TV-Spielfilm“ dahin?

Lange ringt und regt sich da was in mir, zumal da ganz deutlich steht: Kein Abo, Zeitschriftenbezug endet einfach so nach Ablauf der 6 Monate. Auch ungewöhnlich. Sollte ich hier zum ersten Mal  einen kundefreundlichen Umgang mit abonnierten Diensten erwischt haben? Letztendlich will ich dann doch wirklich kündigen und auf das lockende Herrenmagazin verzichten. Kein Thema, geht per Klick. Dass ich danach noch um Feedback gebeten werde, stört mich auch nicht sonderlich:

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Gut. Schnell „Angebot nicht mehr benötigt“ ausgewählt und weitergeklickt.

Am Schluss kommt dann doch noch die große Enttäuschung:

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Also doch wie immer: Bestellen, Abo abschließen, Verpflichtungen eingehen – alles kein Problem mit nur wenigen Mausklicks. Kündigen, Downgraden, Abos wieder loswerden: Nur mit Hindernissen. Warum sollte bitteschön ein einzusendendes Fax meiner eigenen Sicherheit dienen? Eine zu bestätigende Mailnachricht würde doch auch reichen, oder die Möglichkeit, die Kündigung innerhalb einer angemessenen Frist zurückzunehmen. Falls jemand mein Passwort ausspäht oder errät, ist eine ungewollte Kündigung vermutlich ein geringes Übel, verglichen mit der Möglichkeit, auf meine privaten Mails und SMSen zuzugreifen. Mein Passwort musste ich sowieso schon erneut eingeben, nicht dass jemand in einem unbeaufsichtigten Moment schnell mal unbemerkt meine virtuelle Viert-Existenz vernichtet. Ok, man könnte argumentieren: Da wird eine E-Mail-Adresse wieder frei, dich sich ein Bösewicht dann schnappen könnte und anschließend alleinigen Zugriff auf meine Mails hat. Aber das hat er auch, wenn er einfach mein Passwort ändert. Und: GMX kann ja gar nicht prüfen, ob meine Unterschrift echt ist. Ich musste zum Einrichten schließlich auch kein Fax senden, sondern nur Adresse und Kontonummer eintippen.

Und mal ehrlich: Wer hat denn heute noch ein Faxgerät? Ich muss da ja irgendwie meine Unterschrift draufkriegen, also heißt das mindestens: Ausdrucken, unterschreiben, wieder einscannen und per GMX-Faxfunktion versenden. Oder im Büro faxen. Oder nachforschen, ob es bei der Post noch die alten öffentlichen Faxgeräte gibt. Was ist eigentlich, wenn ich keinen Drucker habe? Darf ich dann GMX nicht nutzen? Bei der Account-Einrichtung wurde mir nicht gesagt: „Falls Sie Ihr Abo jemals wieder loswerden wollen, benötigen Sie einen Drucker und ein Faxgerät.“ PDF draus machen und Unterschriftsgrafik reinfrickeln ist für den Normalnutzer wohl keine Alternative.

Immerhin: Das Formular muss nur Datum und Unterschrift bekommen, alles andere ist schon ausgefüllt und es sagt mir plötzlich: Du kannst mich auch per Post schicken. Das wird aber natürlich nicht zu früh verraten. Nicht dass jemand, der denkt „Oh je, das ist mir alles zu stressig, da nehm ich doch lieber den Playboy…“ verleitet wird, die Kündigung durchzuziehen.

Witzig auch die 5-Tage-Frist. Zu meiner Sicherheit, natürlich. Morgen ist Freitag, wenn ich meinen Brief dann abschicke und der nicht Montag da ist, könnte es schon knapp werden.  Ich probier’s einfach aus. Ohne Einschreiben. Mal schauen, was passiert.

Fazit: Es fing gut an und endete wie üblich. Schade. Und jetzt bekomm ich nichtmal ’nen Playboy.

Von Siebenzwergen und gelben Seitenverlagen

Vielleicht ist das gelb zu grell und die Werbetexter haben nicht gemerkt, wann der Kopf unkontrolliert auf die Leertaste knallt. Oder das orthographische Zentrum im Hirn war vom Debilenquizerfinden schon dollarzeichentrunken durchweicht? Man weiß es nicht… Das Ergebnis jedenfalls springt uns derzeit überall in dieser Form entgegen:

Gelbeseiten und Siebenzwerge

99 Republiken und ziemlich wenig über viel Bildung

Politik wird oft von Symbolhandlungen dominiert. Probleme mit Arbeitslosigkeit? Eine Arbeitsoffensive muss her. Probleme mit der Bildung? Klar, Bildungsoffensive. Irgendwie unklare Probleme? Kein Thema: Innovationsoffensive.

So viel Offensive nutzt sich ab, WM, EM und Olympiade sind inzwischen auch vorbei. Da muss was Neues her. Nun haben also Frau Merkels RedenschreiberInnen ganz frisch für die Festveranstaltung „60 Jahre Soziale Marktwirtschaft“ einen neuen Begriff erfunden: Die „Bildungsrepublik Deutschland“ (hier die Rede im Volltext):

Und so führen uns diese Überlegungen zu dem für Einstieg und Aufstieg aus meiner Sicht entscheidenden, dem zentralen Stichwort unserer Zeit: Bildung. Ich sage es in einem Satz: Wir müssen die Bildungsrepublik Deutschland werden. Das ist es, was unsere Zukunft für die nächsten Jahrzehnte sichert.

Bildungsrepublik Deutschland werden zu müssen sichert die Zukunft? Dann haben wir’s ja geschafft.  Im Bildungsrepublik-Werden-Müssen sind wir ziemlich gut.

Eine Politikerrede – eine Festrede besonders – muss von kunstvoller Dialektik geprägt sein, wie die einzige Aussage zum Zustand der Hochschulen demonstriert:

Unsere Hochschulen müssen Weltklasse sein und sie sind es zum Teil auch.

Hmm. Und was sagt uns das? Wenn sie es „zum Teil auch“ sind, braucht es keine Exzellenzinitiative, weil die besten ja schon Spitze sind.  Wenn alle es werden sollen, braucht es keine Exzellenzinitiative, denn die fördert ja nur Leuchttürme und nicht das Fundament im Ganzen (auf dem Papier soll sie das natürlich auch irgendwie so ein bisschen zumindest). Na gut, Schwamm drüber.

Prima zu wissen, dass wir ziemlich super sind:

Wir sind das Land der Ideen. Wir wollen das Land der Ideen bleiben und wir wollen, dass immer mehr Menschen mit exzellenten Ideen dazu beitragen können.

Jo! Ich will auch, dass alles so bleibt wie es ist und ein bisschen besser wird.

Aber nochmal zurück zur „Bildungsrepublik“. Was sollte das denn sein? Werden die Bundesländer abgeschafft und durch Schulen oder Bibliotheken ersetzt?

Kalauer beiseite, gemeint ist wohl: „eine Republik, die sich vor allem (und natürlich anderen) durch Bildung auszeichnet“. Ich bin mir fast sicher, dass bei UNO und IOC noch keine Anträge eingegangen sind, die offizielle Bezeichnung der Bundesrepublik Deutschland entsprechend zu ändern. Also klarer Fall – Symbolkommunikation:

Symbolkommunikation bezieht sich auf die Rolle der unsichtbaren, im gesellschaftlichen Umgang aber erfahrbaren Wertschätzung, welche Personen, Institutionen, Produkten und Leistungen anhaftet. Diese Wertschätzung ist ein sozial konstruierter Attribute-Raum, welcher die Dinge umgibt, über die wir kommunizieren, und es ist dieser Raum, welcher letztlich unsere Einstellung ihnen gegenüber bestimmt. Wir nennen diesen Raum symbolisch und wir nennen den Umgang mit ihm Symbolkommunikation.

Den sprachlich Interessierten führt das zu der Frage: Was für sprachlich-symbolhafte Attributzuweisungen haften unserer Republik denn noch so an? Fragen wir mal das Projekt Deutscher Wortschatz. Dessen Quellen sind zwar stark Print-Medien-lastig, was für Fragen zur Alltagssprache unrepräsentativ ist, aber politischer Journalismus ist dort bestens vertreten. Also fix nach „*republik“ gesucht. Die um Dopplungen, Rechtschreibfehler und geographische Bezeichnungen (Alpenrepublik, Kaukasus-Teilrepublik) bereinigte Trefferliste kennt 99 Republikentypen:

ABM-Republik
Adelsrepublik
Adenauer-Erhardt-Republik
Adenauer-Republik
Altbundesrepublik
Altenrepublik
Apartheid-Republik
Arbeitgeberrepublik
Armutsrepublik
Athosrepublik
Bakschisch-Republik
Bananenrepublik
Bauernrepublik
Beamtenrepublik
Betriebsräte-Republik
Bruderrepublik
Bundesrepublik
Bürgerrepublik
Canossarepublik
Chaos-Republik
Einwanderungsrepublik
Fernsehrepublik
Fußballrepublik
Fußgängerzonenrepublik
Förder-Republik
Gangsterrepublik
Gebühren-Republik
Geistesrepublik
Gelehrtenrepublik
Greisenrepublik
Gründerrepublik
Gute-Laune-Republik
Handball-Republik
Handelsrepublik
Hartz-IV-Republik
Hippie-Republik
Judenrepublik
Konfliktrepublik
Konsensrepublik
Krisenrepublik
Künstlerrepublik
Küstenrepublik
Lafontaine-Republik
Landwirtschaftsrepublik
Medienrepublik
Mini-Republik
Mittelmaßrepublik
Musterrepublik
Mönchsrepublik
Nachfolgerepublik
Nachkriegsrepublik
Nanorepublik
Negerrepublik
Neidrepublik
Pionierrepublik
Poprepublik
Praktikantenrepublik
Prominentenrepublik
Präsidialrepublik
Präventivrepublik
Pöbelrepublik
Rebellenrepublik
Rebenrepublik
Rest-Republik
Riesenrepublik
Rundum-Sorglos-Bundesrepublik
Räterepublik
Schmiergeldrepublik
Schrumpf-Republik
Schröder-Republik
Schwarzenrepublik
Seerepublik
Seniorenrepublik
Spaßrepublik
Spießerrepublik
Stadtrepublik
Start-Up-Republik
Subventionsrepublik
Sunni-Republik
Tele-Republik
Traumrepublik
Trümmer-Republik
Umerziehungsrepublik
Unionsrepublik
Unruherepublik
Untergrund-Republik
Untertanenrepublik
Verbraucherrepublik
Volksrepublik
WM-Republik
Weltbürgerrepublik
Weltrepublik
Westerwelle-Republik
Wirtschaftswunderbundesrepublik
Wohlfahrtsrepublik
Wohlstandsbundesrepublik
Zwergenrepublik
Zwergrepublik
Zwillingsrepublik

Sieh mal an! Ich finde: Es ist ein großer Spaß nachzusinnen, ob denn da im Einzelnen unsere gute alte BundesBildungsrepublik gemeint sein könnte. Und ich welchem zeitgeschichtlichen Zusammenhang. Jeder Einzelfall lässt sich mit Belegen beim Projekt Deutscher Wortschatz nachlesen. Und zumeist sieht man: Die negativ-sarkastisch aufgeladenen Begriffe verweisen gern auf Deutschland.

Woran liegt das nur?

Es weihnachtet sehr

Eigentlich ist der erste September Stichtag für das Weihnachtssortiment im Supermarkt. Beim Plus um die Ecke habe ich aber heute schon Spekulatius, Lebkuchen und Berge besten Butterstollens gesehen.

Adeste Fideles!

Der orthographische Sprachwitz in der Raumfahrt

Den Standardkalauer rechtschriftlicher Verirrungen liefert üblicherweise die Fischbude nebenan. Oder der Touristik-Verband Westdeichersiel-Mitte. Nämlich mit „Ich will Meer!“. Oder auch (konsequenterweise Comic-Sans-verseuchte) Angebote wie dieses hier. Sowas bringt den fischigen Geruch des Abgestandenen in die Nasen Sprachbewusster.

Aber seien wir mal konstruktiv-vorbildlich: Einen erfrischend frischen orthographischen Sprachwitz habe ich vorhin bei Christian Ritter gefunden. Merci dafür!

Bit-Beats

Bill Baley

[youtube:http://youtube.com/watch?v=LKtxg1D7vZw]

Hervorragende Kraftwerk-Parodie!

DJ Scotch Egg

[youtube:http://youtube.com/watch?v=fWvo_EaMK8c]

Toller Gameboy-Sound mit reichlich Action!

Pornophonique

[youtube:http://youtube.com/watch?v=G8YvK4Nd108]

Immer wieder und immer noch großartig. Plz come to Osnabrück, Pornophonique! (Und immer noch: Album  frei und kostenlos zum Selbstrunterladen!)