Zulassung von Schulbüchern in deutschen Bundesländern und Österreich

Lizenz für diesen Text: CC0 – Kein Urhberrechtsschutz

Die Grundfrage: Wer entscheidet?

Der Föderalismus. Unter allen Dingen, die uns Frieden, Glück und Wohlstand bringen, gehört er zu denen, die manchmal etwas … schwieriger zu erklären sind. Vor allem, wenn es um die heilige Kuh des Föderalismus geht, die Schulpolitik.

Konkret geht es hier um die Frage: Wer darf entscheiden, ob ein als „Schulbuch“ deklariertes Werk tatsächlich als Schulbuch verwendet werden darf? Schulbücher, so definieren die meisten Landesgesetze ungefähr, sind für die Hand der SchülerIn bestimmte Werke, die den Stoff eines Schul(halb)jahres umfassen und als Hauptarbeitsmittel im Unterricht verwendet werden sollen.

In allen Bundesländern gilt: Ein Schulbuch muss

  1. verfassungskonform sein,
  2. den offiziellen Lehrplänen entsprechen und
  3. in Preis, Gewicht und Gestaltung angemessen sein.

Mit den „Kindern vom Zirkus Palope“ starten wir derzeit mit der Veröffentlichung einer Schulbuchreihe für den Deutschunterricht in den Klassen 1-4 unter einer freien und offenen Lizenz (OER, CC-BY-SA). Da insbesondere in der Grundschule aber auch gedruckte Bücher und Arbeitshefte benötigt werden, fungieren wir als gemeinnütziger Verein als Verlag, der gedruckte Exemplare anbietet. Die Reihe ist tatsächlich eine klassische Schulbuchreihe, die daher – im Gegensatz zu einzelnen Arbeitsblättern und Materialsammlungen zu einzelnen Themen – unter Umständen auch einer offizellen Genehmigung bedürfen.

Ach nein, nicht einer Genehmigung, sondern 16. Plus Österreich, Schweiz, und so weiter. Bei der Recherche, wie und unter welchen Bedingungen eine Schulbuchzulassung für unsere OER-Schulbuchreihe zu bewerkstelligen ist, bin ich auf erstaunliche und erhebliche Unterschiede gestoßen, die ich hier zusammenfasse. (Zusammenfassende Tabelle am Seitenende. Achtung: Alle Angaben ohne Anspruch auf Vollständigkeit, Korrektheit oder gar Rechtssicherheit)

Stand: 16.6.2019. Achtung: Die Angaben sind nur für das Fach Deutsch in der Grundschule/Primärstufe recherchiert.

Länder ohne Schulbuchzulassung

In Berlin gibt es keine landesweite Schulbuchzulassung, die Schulen bzw. Fachkonferenzen entscheiden selbst, welche Schulbücher eingesetzt werden sollen. Quelle: https://www.berlin.de/sen/bildung/unterricht/medien/lehr-und-lernmittel/

In Brandenburg gibt es ebenfalls eine pauschale Zulassung, zumindest für eine Reihe von Fächern und Schukstufen, zu denen auch Deutsch in der Grundschule gehört. Quelle: https://mbjs.brandenburg.de/bildung/weitere-themen/schulbuecher.html

Auch in Hamburg dürfen Schulen selbst und ohne vorgegebene Listen entscheiden, welche Schulbücher sie einsetzen wollen. Quelle: https://www.hamburg.de/infoline/rechtliche-grundlagen/126686/lernmvo/

Im Saarland traut man den Schulleitungen und Fachkonferenzen zu, Schulbücher auszuwählen, eine zentrale Zulassung gibt es hier ebenfalls nicht. Quelle:
http://sl.juris.de/cgi-bin/landesrecht.py?d=http://sl.juris.de/sl/SchulOG_SL_P17a.htm

Sachsen kennt die landesweite Zulassung nur noch für das Fach Religion, in
allen anderen Fächern dürfen seit 2017 die Schulen selbst entscheiden. Quelle: https://www.schule.sachsen.de/104.htm

Gleiches gilt für Schleswig-Holstein, wo die Schulbuchzulassung durch das neue Schulgesetz schon 2007 abgeschafft wurde. Quelle: http://www.gesetze-rechtsprechung.sh.juris.de/jportal/?quelle=jlink&query=SchulG+SH+%C2%A7+127&psml=bsshoprod.psml&max=true

Länder mit Zulassung im vereinfachten Verfahren

In allen anderen Ländern dürfen nur Schulbücher verwendet werden, die
für Bundesland, Fach und Schulstufe zugelassen sind. Oft gilt dabei: Ob eine
Lehrkraft ein Schulbuch verwendet, kann sie selbst entscheiden, aber wenn ein Schulbuch eingesetzt wird, muss es zugelassen, von der Schule beschlossen und in möglichst allen Parallelklassen eingeführt sein. In einigen Ländergesetzen und -verordnungen finden sich noch Ausnahmen für Schulversuche, bei denen auf Antrag auch noch nicht zugelassene Schulbücher verwendet werden dürfen.

In Baden-Würtemberg werden Schulbücher in der Regel in einem vereinfachten
Verfahren zugelassen, d.h. die Prüfung, ob das Buch verfassungskonform,
lehrplangetreu etc. ist, beruht im Wesentlichen auf einer Zusicherung des
Verlages. Das zuständige Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung prüft
dann stichprobenweise und kann in begründeten Gutachter hinzuziehen. Zur
Prüfung müssen zwei fertige gedruckte Exemplare des Buches eingereicht werden, bei unvollständigen mehrbändigen Reihen außerdem ein verbindliches Konzept zur Weiterführung der Reihe. Das Verfahren kostet 150-250 Euro, Aussagen zur Dauer gibt es nicht. Quelle: http://www.landesrecht-bw.de/jportal?quelle=purl&psml=bsbawueprod.psml&max=true&docId=jlr-SchulBZulVBW2007rahmen&doc.part=X

In Hessen wird für viele Fächer, darunter auch Deutsch, ebenfalls in der Regel
auf Gutachter verzichtet. Zusätzlich darf bei Fibeln und digitalen Lehrwerken für
den Deutschunterricht in der ersten Klasse die Schulleitung entscheiden. Bei
mehrbändigen Reihen müssen mindestens die ersten beiden Bände vorliegen.
Einzureichen sind drei Prüfexemplare (in begründeten Ausnahmefällen können das auch Andruckexemplare sein), in zweifacher Ausfertigung zugehörige
Arbeitshefte und Lehrerhandbuch sowie eine Darstellung der methodischen und
fachlich-didaktischen Konzeption. Das Verfahren kostet das 14fache des
Ladenverkaufspreises, über die Dauer triftt die Verordnung keine Aussage.
Quelle: https://kultusministerium.hessen.de/schulsystem/schulrecht/lernmittelfreiheit

Auch in Niedersachsen gilt das vereinfachte Verfahren. Zur Zulassung dürfen
auch endgültige Manuskriptfassungen eingereicht werden, Arbeitshefte etc.
müssen nicht zugelassen werden. Die Zulassung kostet 106 Euro, zur Dauer macht der Erlass keine Aussage. Bei unvollständigen mehrbändigen Reihen ist die Zulassung vorläufig. Quelle: http://www.schure.de/22410/26,2,82221.htm

Mecklenburg-Vorpommern besteht auch auf einer Zulassung von Schulbüchern, übernimmt aber als einziges Bundesland vorliegende Genehmigungen aus anderen Bundesländern. Auf jeden Fall sind zusammen mit einer solchen vorhandenen Genehmigung drei Exemplare einzureichen, die auch Andruckexemplare sein können. Über Kosten und Dauer ist nichts bekannt. Quelle: http://service.mvnet.de/_php/download.php?datei_id=38422

In Rheinland-Pfalz dauert das Verfahren vier Monate, ist als vereinfachtes Verfahren komplett kostenlos und wird ebenfalls in der Regel ohne Gutachter durchgeführt. Es können auch Andruckexemplare eingereicht werden, bei unvollständigen mehrbändigen Werken wird ein verbindliches Konzept für die geplante Weiterführung verlangt. Das zuständige Ministerium für Bildung hat eine sehr ausführliche Handreichung für Verlage erstellt, in der z.B. erläutert wird, dass Bücher, die für das kommende Schuljahr zugelassen werden sollen, bis 1. November des Vorjahres eingereicht werden müssen. Quelle: http://lmf-online.rlp.de/fileadmin/user_upload/lmf-online.rlp.de/Verlage/Handreichung_fuer_Verlage.190603.pdf

In Sachsen-Anhalt ist LISA zuständig, das Landesinstitut für Schulqualität und
Lehrerbildung Sachsen-Anhalt. Es dürfen auch Manuskripte eingereicht werden,
dafür müssen allerdings auch Arbeitshefte mit eingereicht werden. Die Kosten
liegen bei 80 Euro zzgl. ggf. 30 Euro Manuskriptzuschlag. Quelle:
https://www.bildung-lsa.de/schule/lernmittel_an_schulen___schulbuchverzeichnis.html

Die Thüringer Lehr- und Lernmittelverordnung sieht ebenfalls grundsätzlich ein
vereinfachtes Verfahren ohne Begutachtung vor. Zulassungspflichtig sind nur
Schulbücher, Arbeitshefte und andere Lernmittel nicht. Manuskripte können
nicht eingereicht werden, Andruckexemplare in begründeten Ausnahmefällen. Die
Kosten liegen beim fünffachen des Ladenverkaufspreises, mindestens aber 15
Euro, über die Dauer des Verfahren liegen keine Angaben vor. Ausnahmen für
Schulversuche sind möglich. Quelle: https://www.thueringen.de/imperia/md/content/tkm/schulwesen/vorschriften/thueringer_lehr-_und_lernmittelverordnung_juli_2009.pdf

Länder mit Gutachterverfahren

Während in den Ländern mit vereinfachtem Verfahren GutachterInnen
eingeschaltet werden können, wenn im Einzelfall Zweifel bestehen, gibt es noch
einige Länder, die für das Fach Deutsch in der Grundschule/Primarstufe immer ein Gutachterverfahren vorsehen.

Bayern beauftragt zwei GutachterInnen, die Buch und Arbeitshefte auf
Konformität prüfen. Dazu liefert das Kultusministerium einen sehr
detaillierten Kriterienkatalog, der z.B. die Berücksichtigung von bayerischem
Kulturgut in angemessenem Umfang fordert und verlangt, dass die ersten
Wörter in einer Fibel „lautgetreu“ sein müssen. Zu Kosten und Dauer des Verfahrens liegen keine Informationen vor, Ausnahmen für Schulversuche sind möglich. Quelle: https://www.km.bayern.de/lehrer/unterricht-und-schulleben/lernmittel.html

In Bremen schaltet das Landesinstitut für Schule nur einE GutachterIn ein und verlangt 5 gedruckte Exemplare sowie alle Zusatzmaterialien einschließlich Lehrerhandbuch in gedruckter Endfassung. Andruckexemplare sind in begründeten Ausnahemfällen möglich. Das Verfahren dauert 4 Monate und kostet 28 Euro plus dem zehnfachen des Ladenverkaufspreises, mindestens aber 83 Euro. Quelle: https://www.lis.bremen.de/lernbuchzulassung-15393

Nordrhein-Westfalen sieht eigentlich auch ein vereinfachtes Verfahren für
viele Fächer vor. Deutsch in der Primarstufe zählt aber im Gegensatz zu allen anderen Bundesländern mit vergleichbarer Regelung nicht dazu. Also bestellt das zuständige Ministerium für Schule, Jugend und Kinder eine nicht genannte Anzahl an GutachterInnen, die insgesamt drei Prüfexemplare benötigen, die auch endgültige Manuskriptfassungen sein dürfen. Es müssen alle Lernmittel geprüft werden, also auch Arbeitshefte etc. Das Verfahren dauert vier Monate und kostet 280 Euro zzgl. 330 Euro Honorar je GutachterIn. Bei unserem Vorhaben eines Schulbuches mit fünf Arbeitsheften für das erste Schuljahr wären das bei einer GutachterIn 3.660 Euro, bei zwei GutachterInnen schlappe 5.640 Euro. Quelle: https://www.schulministerium.nrw.de/docs/Schulsystem/Medien/Lernmittel/Kontext/Zulassung.pdf

Österreich verzichtet auf die offensichtliche Vorteile einer föderal voll ausdifferenzierten Schulpolitik und versagt seinen neun Bundesländern die Ersinnung eigener kreativer Zulassungsregularien. Stattdessen führt das für ganz Österreich geltende Schulunterrichtsgesetz aus: „(4) Der Lehrer darf nur solche Unterrichtsmittel im Unterricht einsetzen, die nach dem Ergebnis seiner gewissenhaften Prüfung den Voraussetzungen […] entsprechen oder vom zuständigen Bundesminister als für den Unterrichtsgebrauch geeignet erklärt worden sind […].“ (§14 SchUG). Letzteres Verfahren nennt sich Approbation von Schulbüchern und obliegt einer Gutachterkommission, die mindestens 4 Monate für die Püfung benötigt. Grundsätzlich können Schulen aber auch „Unterrichtsmittel eigener Wahl“ (UEW) einsetzen, so dass eine Approbation nicht zwingend erforderlich ist. Sinnvoll erscheint sie nach meinem derzeitigen Kenntnisstand aber allein deshalb, weil in Österreich Lernmittelfreiheit herrscht (Schulbuchaktion), d.h. SchülerInnen die Schulbücher gestellt bekommen (und sogar behalten dürfen), und das Budget für UEW knapp ist. Quelle: https://www.jusline.at/gesetz/schug/paragraf/14

Zusammenfassung

Schulbuchzulassung (Deutsch, Primarstufe) in deutschen Bundesländern und Österreich

LandZulassung nötig?VerfahrenEinzureichenManuskript möglich?Kosten
Baden-Würtembergjavereinfachtnur Buch + Konzept für mehrbändige Werke nein150-250 €
BayernjaBegutachtungBuch + Arbeitsheftejak.A.
Berlinnein
Brandenburgnein
BremenjaBegutachtung5 Exemplare ALLER Materialiennur in begr. Fällen28€ + 10*LVK (mind. 83€)
Hamburgnein
HessenjavereinfachtBuch und fachlich-methodische Konzeptionnur in begr. Fällen14*LVK
NiedersachsenjavereinfachtBuchja106€
Nordrhein-WestfalenjaBegutachtungalle Lernmittel (Buch, Arbeitshefte, ...)ja280€ + 330€/GutachterIn je Lernmittel
Mecklenburg-Vorpommernvielleichtpauschal, wenn in anderem Land zugelassenBuchjak.A.
Rheinland-PfalzjavereinfachtBuch + Arbeitshefteja0€
Saarlandnein
Sachsennein
Sachsen-AnhaltjavereinfachtBuch + Arbeitshefteja80€-110€
Schleswig-Holsteinnein
ThüringenjavereinfachtBuchnur in begr. Fällen5*LVK
ÖsterreichneinGutachterverfahren (Approbation) möglich

Ohne Gewähr und mit Bitte um Korrektur und Ergänzung!

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