Portishead klingt wie (völlig unbekannten Rezensentenposerbandnamen einsetzen)

Absolut jedes Vorder- und Hinterwäldlerblogblättchen muss sich ja derzeit mit einer Portishead-Rezension schmücken. Aber wie soll sich da der anspruchsvolle Rezensent profilieren? Er kramt in seinem quasi unendlich großen musikhistorischen Wissensschatz und baut haufenweise »Song XY klingt wie…«-Aussagen in seinen Text ein. Kann der Leser zwar nicht so wirklich nachvollziehen, meistens, klingt aber nach großer Kompetenz.

Vier Beispiele rund um »We carry on« müssen reichen:

laut.de findet:

Bei „Small“ und auch bei „Threads“ sind sie vorwiegend Krautrock und klingen nach Amon Düül II oder Deep Purples „Child In Time“. Mit „We Carry On“ zollen sie ihren Tribut an Joy Divisions „She’s Lost Control“ […].

An anderer Stelle ebenfalls laut.de in einem Interview:

Und vielleicht auch deutsche Bands, wie Can? Auf „Third“ gibt es ein Stück, was sich sehr nach Einstürzende Neubauten anhört. „We Carry On“.

Noch besser weiß es aber Sebastian Reier im ZEIT-Tonträger-Blog unter dem Titel »Lass das Jammern, Eule«:

So originell wie behauptet wird, ist das alles nicht. Für das Stück We Carry On sollten sie Geld an die Silver Apples überweisen. Deren Stücke You And I und Oscillations aus den späten Sechzigern werden hier einfach kopiert.

Ein hoffentlich ironisch gemeintes Rezensions-Glanzstück liefert Peter Mühlbauer ab und meint:

[We carry on,] das klingt wie ein Mashup aus der EBM-Version eines Throbbing-Gristle-Stücks mit Beth Gibbons und Factory-Gitarre sowie Machine Gun, mit Beats wie der ganz frühe Schoolly D

Der gute alte Schoolly D. Wer hätte das gedacht?! Tolle Sachen, jedenfalls. Kann ich aber auch. Also:

»Magic doors« ist ganz definitv von »Elektrobank« der Chemical Brothers abgekupfert. Hört mal richtig hin!

Das Ende von »Machine Gun« markiert eine Synthie-Sequenz (ab 4:01), die von Kraftwerks »Neonlicht« »Metropolis« stammen könnte. Ja!

Und, mein »We carry on«-Beitrag: Das klingt doch ganz offensichtlich total wie ein Jitterbug aus den 1930ern! Natürlich ein ganz früher, authentischer Jitterbug, nicht diese verschwuchtelte Wham-Sache! Man denke z.B. nur mal an den kurzen Jitterbug aus dem »Mullholland Drive«-Intro. Also wirklich aber!

Und wer weiß, was mir noch alles auffällt. Übrigens: Tolle Platte. Meine Vorfreude hat sich gelohnt und ich finde: Muss man gehört haben.

Wenn culture=DE, dann Fahrrad=kompliziert

Bei mehrsprachigen Webseiten ist es nicht unüblich, die vom Nutzer gewählte Sprache in der URL mitzuschleppen, damit das brave seitenausliefernde Content-Management-System auch weiß, in welcher Sprache es die leckeren Inhalte servieren soll. Erkennbar ist sowas dann z.B. an einem »?language=DE« oder ähnlichem in der Adressleiste. Da achtet man normalerweise gar nicht drauf, Hauptsache auf der Seite steht das Gewünschte.

Auf die genaue URL habe ich natürlich auch nicht geguckt, als ich kürzlich herausfinden wollte, ob und zu welchen Bedingungen Ryanair denn gegebenenfalls mein Fahrrad transportieren würde. Aber nach kopfschüttelndem Konsum des letztendlich gefundenen Textes sprang mir diese Adresszeile der FAQs ins Auge: http://www.ryanair.com/site/DE/faqs.php?culture=DE.

Deutsch ist also weniger eine Sprache als vielmehr eine Kultur, insbesondere wenn es ums Fahrrädermitnehmen geht. Aber lesen Sie selbst:

Sportausrüstungsgegenstände, einschließlich, jedoch nicht beschränkt auf große Angeln, Golfschläger, Fahrräder, Roller, Fechtausrüstungen, Surfbretter, Bodyboards, Snowboards und Skier, sowie große Musikinstrumente, einschließlich, jedoch nicht beschränkt auf Harfen, Kontrabässe und Schlagzeuge sind für den Transport durch Fluggesellschaften wie Ryanair ungeeignet, für die nur kurze Einstiegszeiten gelten.

Aha. Etwas umständlich formuliert, aber soll wohl sagen: Nö. Keine Fahrräder. Auch keine Harfen oder Fechtausrüstungen. Schade. Aber der Text ging noch weiter:

Bei Buchung zur Zeit der Reservierung unter www.ryanair.com können solche Gegenstände jedoch gegen eine zusätzliche ermäßigte Gebühr pro Gepäckstück und pro Einzelflug zusätzlich zum persönlichen Freigepäck im Laderaum des Flugzeugs mitgeführt werden.

Also doch? Sind sie nun ungeeignet oder nicht? Und was heißt ermäßigte Gebühr? Ermäßigt gegenüber was? Lesen wir weiter:

Wenn der Gegenstand nicht bis zur Ankunft am Flughafen oder in einer Ryanair-Buchungszentrale gebucht wurde, wird der volle Tarif berechnet.

Welcher volle Tarif? Wie bekomme ich meine Harfe denn in eine Buchungszentrale? Die vollständige Auflösung verspricht dann folgender Link:

(Klicken Sie hier, um Einzelheiten zu erhalten.)

Nun bliebe nur noch zu fragen, ob Ryanair die gewünschte Information (Ja, Fahrradmitnahme begrenzt möglich, kostet bei Vorabbuchung 30€ pro Flug, bei Buchung vor Ort 40€ pro Flug) für andere deutschsprachige Kulturen kundenfreundlicher aufbereitet. Aber alle Versuche, sei es mit culture=AT, culture=CH, culture=nds oder culture=ksh schlugen fehl. Ein wenig Hoffnung hatte ich noch auf culture=bar gesetzt, dieses Naturvolk ist ja schließlich für klare Ansagen bekannt, aber ebenfalls: Fleitepiepen.

P.S.: Natürlich ist der Paramater »culture« von Ryanair nicht einfach nur skurril. Wer genau hinschaut, findet in der URL http://www.ryanair.com/site/DE/faqs.php?culture=DE die Sprache ja auch doppelt kodiert: ..site/DE/.. und culture=DE. Das entspricht z.B. den üblichen zweiteiligen Angaben für POSIX-Locales. Denn bei »gleicher« Sprache können, abhängig vom Land, oder wenn man so will, der Kultur, unterschiedliche Konventionen, Regelungen oder ganz offensichtlich: Gesetze gelten. Deutsch in Deutschland ist nicht gleich (spannender Artikel der NZZ!) deutsch in der Schweiz, ebenso wenig englisch in Großbritannien und den USA. Gerade international operierende Firmen teilen die Welt unabhängig von Sprachen in Regionen mit unterschiedlichen Angeboten, unterschiedlicher Preisgestaltung und unterschiedlichen Services. Ryanair bietet FAQs für die meisten Länder nur in englischer Sprache an. Trotzdem können in Portugal dann andere Regelungen gelten als in Norwegen. Zum Beispiel für die Fahrradmitnahme, vielleicht.

Irre Klotztypenauflösung

Vor ein paar Tagen hatte ich gefragt, was sich wohl hinter »Irren Klotztypen« verbergen mag. Leider kam keine der Kommentatorenvermutungen auch nur in die Nähe der Wahrheit. Leider? Zum Glück? Man weiß es nicht..

Tatsächlich geht es um ein neues Nintendo-DS-Spiel: Jenga. Ja! Jenga. Die Mikadovariante mit den Holzklötzchentürmen, die irgendwann umfallen, wenn man beim Rausziehen zu doll wackelt. Über Sinn und Zweck einer virtuellen Variante dieses lustigen Spiels, das ja gerade vom Anfassen lebt, mag man streiten.

Normales Jenga umzusetzten, war den Entwicklern jedenfalls zu wenig, so dass sie neben den bekannten und bekannt unirren Holzklötzen noch viele weitere tolle irre Klotztypen integriert haben. Leider (oder zum Glück?) kann ich da nur raten: Vielleicht blinkende, widerhakenbesetzte, kaugummiartige, nationalhymnensingende oder gar plötzlich wegteleportierende, die zu Zombies werden?

Ich fand jedenfalls den Kommentar von SethSteiner ganz treffend:

Also erstmal, natürlich das Spiel grenzt an absoluter Lächerlichkeit, es ist skuril soetwas auf dem DS zu bringen, aber ist deswegen diese Art der Kritik verständlich? Ich denke nicht, die Welt lebt von diesen Skurilitäten, dem anderen und lustigen verrückten Sachen

Einiges von noch zu wünschenden und, wie es scheint, möglichen Vervollkommnungen des Eisenbahnwesens

Ach! Die Bahn! Nahezu lichtschnell sausen Hochgeschwindigkeitszüge durch die Lande, verbinden Metropolen und machen Entfernungen vergessen. Ganz selbstverständlich scheint es uns, von Stadt zu Stadt in Augenblicken zu reisen und gleichsam Weltbürger zu sein. Dabei ist dieser vollkommene Luxus noch gar nicht so alt. Vor nur 150 Jahren hielt man der Bahn noch ängstlich befürchtend entgegen, dass des Menschen Gesundheit bei hohen Geschwindigkeiten ernsthaften Schaden nehmen könne.

Diese Befürchtung teilen auch heute noch die Betrieber der Baumberge-Bahn von Münster nach Coesfeld mit Zwischenhalt in Havixbeck und Billerbeck. Immer fürchtend, die eigenen, höchstens fußgängerschnellen Gedanken zu verlieren und so zum seelenlosen Wesen zu werden, zuckelt das Bähnchen pittoresk auf eingleisiger Strecke durch Gärten und Siedlungen.

Dass für nur 30 Kilometer endlose 45 Minuten ins Land gehen, liegt aber nicht etwa an milchkannenhäufigen Vollbremsungen mit Absprungsmöglichkeit. Nein. Man zelebriert das zahme Dahingleiten auf Schienen, auf kurviger Strecke durch kurvige Landschaft. Die Wikipedia weiß dazu zu schwärmen: »Die Strecke selbst ist dabei sehr kurvenreich angelegt und durchfährt in Einschnitten und auf Dämmen die reizvolle Landschaft der Baumberge.«

Das Allerschlimmste aber: In Coesfeld endet die Beschaulichkeit. Wurde früher die meditative Fahrt bis nach Bocholt und darüber hinaus in die Niederlande fortgesetzt, heißt es heute: Umsteigen in den Bus! Und der mäandert nicht durch grüne Wiesen, Hügellandschaften und unberührt scheinendes Land, sondern wirre Schleifen fahrend durch Wohnsiedlungen. Die sind gnadenloser als alle Vorsicht, den eigenen Verstand zu verlieren.

Man gebe mir Hügel!