Hilfe bei chronische Powerpoint Schmerzen

Auf meiner derzeitigen Tournee durch Osnabrücker Arztstuben bin ich heute morgen in einem sehr aparten Wartezimmer gelandet. Neben einer »Patientenbibliothek« (schade, keine Wartezimmerlyrik aus der Therapiewarteschlange) sollte der leidend Wartende mittels einer Powerpoint-Präsentation, die unaufdringlich von einem Eckmonitor flimmerte, froh gestimmt und auf wundervoll wohltuende Behandlungsformen vorbereitet werden. Gemäß der beliebten Tradition gemütlicher Rätselheftrunden im Wartezimmer wurden außerdem ein paar orthographische Knobeleien eingebaut. Zum Beispiel ob sich die Stoßwelle aus der gleichnamigen Therapie denn nicht vielleicht doch als »Stosswelle« wohler fühlt, wie ziemlich genau jede zweite Folie suggerieren wollte. Der Höhepunkt aber eine Folie mit unter anderem folgendem Inhalt:

Sauerstoff Therapie, hilft bei

  • chronische Schmerzen,

Schön, schön, schön. Wenn’s hilft, soll’s ja egal sein. Aber! Das ganze ist mal wieder ein feines Beispiel dafür, dass Powerpoint den Grat zwischen Professionalität und Lächerlichkeit besonders schmal macht. Vor einiger Zeit mussten wir schon lernen, dass Powerpoint macht blöd. Um komplexe Argumente geht es hier nicht, aber darum, dass geschniegelte Form und sprachlich ungehobelter Inhalt weit auseinanderfallen. Dann lieber handgeschriebene Zettel, das hätte wenigstens Charme.

Mehr zum Thema: The Gettysburg Powerpoint Presentation von Peter Norvig.

Kronos, Nunavut, finally

Vor ziemlich langer Zeit, es muss ungefähr 1989 gewesen sein und ich war 17, bin ich über ein Streichquartett gestolpert. Das Kronos Quartet. Die haben tolle moderne Sachen gespielt, Phil Glass, Steve Reich, Terry Riley, John Zorn und so weiter. Unvergessen auch der Unteroffizier, der mich beim etwas zu lauten Kronos-Hören im Musik- und Leseraum der Seemannschaftslehrgruppe Borkum ertappt hat, und daraufhin ebenso verdattert wie aufrichtig besorgt fragte, ob alles in Ordnung sei, mir etwas fehle oder er etwas für mich tun könne.

Und so begleitet mich das Kronos Quartet seitdem, ist immer wieder für eine Überraschung gut und gibt mir das Gefühl, etwas mitzubekommen von der weiten Welt der jungen Musik da draußen, und zugleich einen verlässlichen Guide zu haben, der mich auf Neues und Ungehörtes aufmerksam macht. Ein Konzert zu erleben, live, mit den vier Streichern, das hat sich zu einem lang gehegten aber bislang unerfüllten Wunsch entwickelt. Bis heute. Beziehungsweise: Bis zum 30. Mai. Aber heute habe ich die Karten bestellt.

Und Hui! Wie groß ist die Freude, dass das Programm, das in der Kölner Philharmonie zu Gehör gebracht werden wird, sich justamente überschneidet mit einem zweiten Musikkreis, der mich in den letzten Jahren in seinen Bann geschlagen hat: Nordisches. Triakel, z.B., ist nicht die allerbekannteste Band der Welt, aber eine, die mit drei feinen, klein daher kommenden Alben bewiesen hat, dass schwedischer Folk ohne kitschig zu werden schön sein kann. Und jetzt versucht sich Kronos an Triakels Tusen Tankar. Mit mir in der dritten Reihe. Oh, Vorfreude! Große Kammermusik gibt’s natürlich auch. Hier die gesamte Liste:

Derek Charke

Auswahl aus: Twenty-two Inuit Throat Song Games for String Quartet

Sigur Rós

Flugufrelsarinn

Xploding Plastix

Work

Traditional/Triakel

Tusen Tankar

Derek Charke

Cercle du Nord III

Clint Mansell

Death Is The Road To Awe aus dem Film ‚The Fountain‘ von Darren Aronofsky

Henryk Mikolaj Górecki

Five Kurpian Songs

Tanya Tagaq / Kronos Quartet

Nunavut

Also, auf zur Kölner Philharmonie, noch gibt es Karten.

P.S.: Xploding Plastix, erlausche ich gerade, ist mächtig gut und auf deren Seite gibt’s viel zu hören. Ohren auf!

Leute, denen Geld wichtiger ist als Sex

Der Second-Life-Hype geht unvermindert weiter. Heute meldet sich mal wieder heise online mit einem Beitrag über die schöne neue Wirtschaftswelt:

Denn die virtuelle Währung der Scheinwelt lässt sich ganz real in harte Dollars tauschen. Damit sind schon ein paar Leute offenbar sehr, sehr reich geworden. Second Life wiederholt die Heilsversprechen der New Economy und hat auch die für einen richtigen Hype notwendige Börse.

Als EBay vor einigen Wochen den Handel mit virtuellen Spielgegenständen verboten hat, wurde Second Life explizit ausgenommen, weil fraglich sei, ob es sich dabei überhaupt um ein Spiel handele.

Spätestens an dieser Stelle beschleicht mich ein etwas mulmiges Gefühl. Als ich vor ca. eineinhalb Jahren ein paar Stunden in Second Life reingeschnuppert habe, fand ich es ganz nett und konnte mir durchaus vorstellen, dass daraus etwas wird. Aber die Frage, ob überhaupt und wenn ja, was für ein Spiel das denn sei, hat sich mir auch schon damals gestellt.

In unserer Studierenden-Umfrage zu Computerspielen, deren Ergebnisse wir in der zweiten Ausgabe der learnmedia@uos zusammengestellt haben, haben wir gefragt, was Spieler denn glauben, beim Computerspielen zu lernen. Hier die aus der Freitextantwort zusammengefassten Ergebnisse (Gesamtbeteiligung: 289 Studierende der Uni Osnabrück):

Was hast du beim Computerspielen gelernt?
Was hast du beim Computerspielen gelernt?

Bei fast allen Befragten wurde die Wahrnehmung deutlich, dass Computerspiele und das »echte Leben« zwei ganz verschiedene Paar Schuhe seien. Bei der Frage nach echtem Lernen mussten sich die meisten dann auch arg strecken, um Sinnvolles zu konstruieren. Interessant allein der häufig genannte Punkt «strategisches Denken/Handeln», mit dem angedeutet wird, dass in virtuellen Kriegen, Raubzügen und Familiengründungsversuchen vielleicht im First Life Nutzbares trainiert wird.

Aber in der Second-Life-Diskussion schwingen ganz andere Element mit. Das ist kein Spiel, das ist Ernst. Da geht es nicht mehr darum, unterhalten zu werden oder in einer Spielwelt Ansehen und Aufmerksamkeit zu gewinnen. Sondern gleichsam umgekehrt werden »Tugenden« des nichtvirtuellen Daseins in eine virtuelle Welt gespiegelt, die dann wiederum Gewinne für das Real Life abwirft.

Und hier sitzt das Mulmen. Diese Verschränkung virtueller und nichtvirtueller Welt kenne ich als Vision aus zahllosen, mitunter recht alten Science-Fiction-Geschichten – die sicherlich auch als Folie für den derzeitigen Hype dienen. Aber ist das eine schöne Vision? Ich jedenfalls spiele lieber Trollkrieger, Achterbahndesigner oder Nachbarinnen bezirzender Swimmingpoolbauer als Kapitalist. Denn die Gefahr bei letzerem ist: Du könntest es ernst nehmen und vergessen, dass Spielen was mit Freiheit und Spaß zu tun hat.

Komma klar am, Valentinstag

Ach! Und Weh! Die Zeichensetzung. Welch garstig Kreuz bürdet unsere Muttersprache dem armen, gestressten, modernen Menschen auf. Auf tausend, ach millionen Dinge muss er achten, Tag für Tag und dann wird ihm auch noch abverlangt, kleine Strichlein aufs Papier zu bringen, an manchen Stellen ja, an anderen Stellen nicht, an anderen wiederum vielleicht. Wen wundert’s, wenn das schonmal schiefgeht, denn sicher hatte die RTL-Redaktion schon genug damit zu tun, sich die üblich hirnzermarternden Antwortalternativen auszudenken:

Valentinstag ist der Tag, der
a) Mütter
b) Liebenden

„wehtut“, wollte ich spontan entsetzt ergänzen, um den Holzwegsatz noch zu einem glücklichen und gerechten Ende zu bringen. Fleitepiepen.

Jetzt aber mal im Ernst. Wo zum Geier kommt der Beistrich her? Soll man unterstellen, dass jemand an einen Relativsatz gedacht hat? Oder dass RTL Orthographen beschäftigt, die nach dem Prinzip des tödlichen Witzes nur Wort für Wort entscheiden dürfen, ob ein Komma kommen kann? Oder ist es die Rache eines frustrierten Praktikanten, der sich in subtiler Weise gegen studipe Rätselfragen auflehnen wollte? Das wäre immerhin tröstlich.

Sprachökonomisch betrachtet sollte es eigentlich eher zu wenige als zu viele Kommata geben, denn wenn ich nicht sicher bin, ob ich zusätzlichen Aufwand treiben und beistreichen soll, dann lass ich’s doch sein. Aber ein ganzer Satz, so ganz ohne Komma? Da hilft das alte Diktatprinzip: Ach! Irgendwo wird schon eins hingehören; Augen zu und durch.

Der Trend zu überflüssigen Kommata in der Öffentlichkeit ist ungebrochen. Den Typ Pseudorelativsatz habe ich heute zum ersten mal wahrgenommen. Häufiger ist das Abtrennen jeglicher Linksextraktionen wie in:

Nach der Sendung, bitte anrufen.
Auf der Lauer, liegt ’ne kleine Katze.
Vor dem Gesetz, steht ein Türhüter.

Das wiederum ist gängige Praxis im Englischen, das ansonsten nicht durch klare und leicht erlernbare Kommaregeln glänzt. Sollte sich hier etwas einschleichen? Wer weiß.

spiegel.de stellt fest: Emsländer sind harmlos

Dass der Emsländer an sich und der Haselünner im besonderen ein außergewöhnlich friedliebender und harmloser Vertreter der Gattung Mensch ist, ist zwar jedem offensichtlich, der sich in den grünen Auen des Nordwestens jemals mit Einheimischen auf ein Pläuschchen eingelassen hat. Jetzt aber könnte dieser Erkenntnis der allgemeine Durchbruch bevorstehen, denn Spiegel-Online erhebt heute die Haselünner Oma zum Prototypen des Friedfertigen:

Die Oma aus Haselünne ist wohl kaum eine Attentäterin

Nummer zwei: Muss man die Hauptdoktrin der Flugsicherheit aufgeben – alle Passagiere gleich zu kontrollieren? Ist es also an der Zeit, die Oma aus Haselünne mit dem Enkel an der Hand schneller durchzuwinken als den sunnitischen Gaststudenten aus dem libanesischen Flüchtlingslager? Weil die Wahrscheinlichkeit, dass Oma aus Haselünne eine islamistische Selbstmordattentäterin ist, nun mal ziemlich gering ist?