85% Kinder sicher?

Vor ein paar Tagen bin ich über ein Feuerzeug mit einem seltsamen Aufkleber gestolpert:

85% kindersicheres Feuerzeug

Was möchte uns das Piktogramm sagen? Dieses Feuerzeug macht 85% der Kinder traurig? Mit diesem Feuerzeug brennt ihr Kind nur zu 15% ab?

Ein genauerer Blick auf das Feuerzeug offenbart: Ja, es hat eine neuartige Kindersicherung in Form einer zusätzlichen Schelle über dem geriffelten Rad. Man muss eine gewisse Kraft und ein gewisses erhöhtes feinmotorisches Geschick aufbringen, um es zum Feuern zu bringen. Prima Sache! Feuerzeuge gehören schließich nicht in Kinderhände und wenn jede Putzmittelflasche eine Kindersicherung hat, warum dann nicht auch Feuerzeuge. Aber was, bitteschön, haben die ominösen 85% zu sagen?

Ein bisschen Webrecherche führt schnell zur gewünschten Erklärung:

Please be aware that a child-resistant lighter is not a child-proof lighter. A child-resistant lighter is a lighter that at least 85% of children under 51 months of age cannot operate. This means that up to 15% of children may still be able to operate such a lighter.

Seit spätestens 11. März 2008 müssen fast alle in der EU verkauften Feuerzeuge den 85%-Kindersicherheits-Anforderungen genügen. Jetzt fragt man sich nur noch: Wie wird das getestet? Nimmt man sich 100 Kinder unter 51 Monaten und schaut, wie viele davon sich die Haare ansengen? Werden diese Kinder auch ordnungsgemäß entlohnt und gemäß JArbSchG behandelt? Sind da deutsche Kinder genauso unpfiffig wie, sagen wir mal, dänische?

Nein, nein. Natürlich haben ISO und EN die Testverfahren gleich mitnormiert und sie kommen ganz ohne echte Kinder aus. In einem überraschend interessant bebildertem Dokument wird erläutert, wie man die diversen Sicherheitstests (nicht nur zum Kinderschutz) durchführt. Sehr informativ zur ganzen Thematik ist übrigens auch eine Broschüre des Referates Produktsicherheit der Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz der Freien und Hansestadt Hamburg (schöner Name für ein Referat!). Interessant hierin der Begriff »Novelty-Feuerzeuge«:

Zu diesen Feuerzeugen zählen beispielsweise Nachbildungen von Cartoonfiguren, Spielzeugen, Schusswaffen, Uhren, Telefonen, Musikinstrumenten, Fahrzeugen, dem menschlichen Körper oder Körperteilen, Tieren, Nahrungsmitteln oder Getränken oder Feuerzeuge, die Melodien spielen oder Feuerzeuge mit Lichteffekten, bewegten Gegenständen oder anderen unterhaltenden Effekten.

Sowas ist jetzt komplett verboten. Darf überhaupt gar nicht mehr für den europäischen Markt hergestellt oder importiert werden. Solche Feuerzeuge sind nämlich auch für die 85% normalpfiffigen Kinder so interessant, dass der Schutz nichts nützt.

Andere spannende Ergänzung: Für »Luxusfeuerzeuge« gilt die ganze Vorschrift nicht. Da passen nämlich die Eltern so gut drauf auf, dass kein Kind sie in die Pfoten bekommt. »Lex Zippo« würde man das wohl nennen.

Bleibt letztlich noch zu fragen, wie viel Prozent der Erwachsenen an einer 85%-Kindersicherung scheitern und ob die 15% inkauf genommener weiter feuergefährdeter Kinder nun irgendeiner Art von Selektionsdruck unterworfen sind, der irgendwann Effekte zeigt.

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